AÜG-Reform vs. Selbstständigkeit?

Gefährdet das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (ÄUG) das Modell Selbstständigkeit?

Die Neufassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zum 01.04.2017 hat zu Verunsicherungen bei Unternehmen und bei Freelancern geführt. Manche sahen gar das Arbeitsmodell ‚Selbständigkeit‘ bedroht. Übersehen wird dabei oft, dass nicht die Regeln zur Abgrenzung von selbständiger und unselbständiger Arbeit geändert worden sind, sondern dass sich die Änderungen nur auf die Folgen einer festgestellten Scheinselbständigkeit auswirken. Die Gesetzesänderung bedroht somit weniger die Selbständigen als das Geschäftsmodell der Vermittler.

Scheinselbständigkeit im Unterschied zur Selbständigkeit

In §611a BGB, wird seit dem 01.04.2017 festgelegt, was unter einem Arbeitsverhältnis zu verstehen ist. Ein Arbeitnehmer ist demnach zu weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das ist im Grunde nichts Neues und nur eine explizite Formulierung dessen, was auch vor dem 01.04.2017 schon Grundlage der Rechtsprechung war. So ist in §7 SGB IV geregelt: „Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“

Auch in der Praxis sind keine Bestrebungen erkennbar, Freelancer verstärkt als scheinselbständig einzustufen. Im Gegenteil hat das BSG am 31.03.2017 entschieden, dass auch die Honorarhöhe als Kriterium zur Abgrenzung von selbständiger Arbeit gegenüber einem Arbeitsverhältnis gelten kann: Wenn das Honorar eines Freelancers deutlich höher ist als das Verdienst eines Arbeitnehmers, der ähnliche Aufgaben erledigt, so ist das ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit.

Fallschirmlösung wurde gestrichen

Auswirkungen auf den Freelancer-Markt hat hingegen eine andere Änderung. Bis zum 31.03.2017 konnten Vermittler ihre Kunden durch eine Vorratsgenehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung schützen.

Die sogenannte Fallschirmlösung, also die Vorratserlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, schützt Unternehmen nicht mehr vor den sozialrechtlichen Folgen der Scheinselbständigkeit beim Einsatz von Freiberuflern. Bisher verließen sich Unternehmen bei temporären und punktuellen Einsätzen von Freelancern auf die Schutzwirkung, die Personaldienstleister vermeintlich boten. Durch das Dazwischenschalten von Vermittlern wurde das Risiko negativer Konsequenzen an die Personaldienstleister ausgelagert. Nach der Reform des AÜG schützt allerdings auch ein eingeschalteter Vermittler nicht mehr vor den Risiken der Scheinselbständigkeit.

Im Gegenteil: Wird ein eingesetzter Spezialist als Scheinselbständiger eingestuft, so begehen Unternehmen und Personaldienstleister eine Ordnungswidrigkeit nach §16 AÜG („Unzulässige Arbeitnehmerüberlassung“). Geahndet werden diese Verstöße mit bis zu 30.000€ Strafe. Die Gefahr einer solchen Ordnungswidrigkeit besteht nicht, wenn der Freelancer direkt beauftragt wird.

Die neue Rechtslage stellt somit keine Bedrohung für die Selbständigen dar. Für sie hat sich ja nichts geändert. Bedroht wird hingegen das Geschäftsmodell der Vermittler, da sie ihren Kunden keinen Schutz mehr bieten können, sondern für diese ein rechtliches Risiko darstellen.

 

 

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